Model United Nations in Oldenburg 2018
- Shared History, Shared Challenges, Shared Future
So das Motto der OLMUN 2018. Auf der Agenda standen in diesem Jahr u.a.
– Maßnahmen gegen den Cyber-Krieg, diskutiert in der GA 1st (General Assembly)
– die Unterbindung des internationalen Organhandels, diskutiert in der GA 3rd
– das Problem des internationalen Drogenhandels, Economic and Social Committee (ECOSOC)
– Möglichkeiten der Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Minenarbeitern, Human Rights Council (HRC)
– die Förderung des Kleinunternehmertums mit dem Ziel, die Armut in Entwicklungsländern zu bekämpfen, United Nations Industrial Development Organization (UNIDO)
Für die Bülow-Delegation, die neben Gabun, Georgien und Lesotho auch Ruanda vertrat, war der Historical Security Council (HSC) besonders interessant. Hier wurde die Situation im April 1994 simuliert. Der Sicherheitsrat befasste sich mit dem Konflikt zwischen Hutus und Tutsis in Ruanda, der in einen Völkermord an den Tutsis mündete. Die Beratungen waren besonders, da Ruanda zu dieser Zeit selbst Mitglied des UN-Sicherheitsrates war.
Ruanda zu vertreten, war somit eine anspruchsvolle Rolle auf der diesjährigen OLMUN.
Es folgen unten Berichte von TeilnehmerInnen aus General Assembly 3rd, dem Human Rights Council und dem Historical Security Council.
Als First Timer in der General Assembly 3rd
Shared history, shared challenges, shared future, so fing die „Opening Ceremony“ der OLMUN 2018 an. Wir sind dieses Jahr zu der Oldenburg Model United Nations in einer Gruppe von 13 Leuten gefahren, viele waren schon die Jahre davor da, aber einige fuhren zum ersten Mal mit.
Seitdem wir die Agenda bekommen hatten, ging es mit der Planung los. Welche Länder wir gerne hätten und in welchen Komitees wir sitzen möchten, waren wichtige Fragen für uns. Nach einer Auslosung in Oldenburg durften wir die Delegationen Gabun, Georgien, Lesotho und Ruanda in sechs verschiedenen Komitees vertreten. Dann fing die Recherche an, da wir schon vor dem Beginn der OLMUN ein „policy statement“ und eine „draft resolution“ abgeben mussten, um nicht ein „punishment“ zu erhalten, wie z.B. vor dem gesamten Komitee zu singen oder zu tanzen.
Wir hatten einige Vorbereitungstreffen, um vor allem uns First Timer auf den Ablauf der OLMUN vorzubereiten und hatten sogar die Möglichkeit bei einem Termin in der Botschaft von Ruanda Fragen zu stellen, den Frau Dr. Kassel für uns organisiert hatte.
Die Fahrt begann am 12. Juni um 7:30 am Hauptbahnhof; die Zugfahrt nach Oldenburg nutzten manche noch zur Vorbereitung. Wir kamen zum Start der „Opening Ceremony“ an, wo wir auch schon in angemessener Kleidung erscheinen mussten. Das bedeutete für uns, dass wir uns schon im Zug umgezogen haben und nach einigen Problemen beim Binden der Krawatten funktionierte doch alles und wir konnten größtenteils die Punishments umgehen.
Kurz vor der „Opening Ceremony“ haben wir unsere Badges und Armbänder bekommen und waren so ein echter Teil der MUN.
Am nächsten Tag ging es weiter mit der Arbeit in den Komitees, die parallel in den Schulen in Oldenburg abliefen. Ich vertrat Georgien im „Third Committee of the General Assembly“ (GA3rd) mit der Aufgabe den weltweiten, illegalen Organhandel zu regulieren. Wir begannen mit der Präsentation einiger „policy statements“, die wie eine Rede geschrieben waren und die Meinung und Lösungsvorschläge der jeweiligen Delegation vertraten und dann fingen die „Chairs“, die Vorsitzenden des Komitees, auch schon an, die Wortwahl der Delegierten zu korrigieren, da man immer von sich selbst in der dritten Person sprechen muss. Wir durften uns während des „Lobbyings“ mit anderen Ländern zusammenschließen und eine Resolution ausarbeiten, welche am Ende des Tages fertig sein musste. Am nächsten Tag wurden diese Resolutionen, unter der Führung der „Chairs“ debattiert und man konnte „Amendments“ einreichen, um die Resolution zu verbessern. So ein „Amendment“ habe ich auch vorgelegt. Das „Amendments“ muss dann vor den 192 weiteren Delegierten des Komitees vorgestellt werden. Dann wird dafür oder dagegen abgestimmt, mein „Amendments“ wurde zum Glück angenommen. Um die Versammlung ein wenig aufzulockern, gab es „Punishments“ zwischendurch, und wir haben sogar Eis bekommen.
Am letzten Tag wurden die Resolutionen vor dem GA1st und GA3rd vorgelesen und weiter debattiert. Ich habe noch einmal eine Rede gegen eine andere Resolution gehalten, und dann war es auch schon Zeit für die „Closing Ceremony“. In diesem Teil wird noch einmal die Arbeit aller Komitees für alle 700 Teilnehmer zusammengefasst. Wir blieben fast bis zum Ende der „Closing Ceremony“, bis der Zug nach Berlin uns rief.
Insgesamt bin ich sehr froh, dass ich an der OLMUN teilgenommen habe und kann es nur allen ab Klasse 10 empfehlen. Zu sehen, wie Politik bei den Vereinten Nationen abläuft, war wirklich interessant und es hat auch echt viel Spaß gemacht. Selbst wenn man nicht so politikinteressiert ist, kann man wirklich viele Erfahrungen sammeln und verbessert in der kurzen Zeit sogar sein Englisch.
Elin Schupan, 2. Semester
Als First Timer im Human Richts Council
Als first timer vertrat ich Georgien im Human Rights Council (HRC), welches sich mit den Arbeitsbedingungen und der allgemeinen Situation der Minenarbeiter beschäftigte. Dem zu Grunde lag die Convention 176, welche 1995 von der International Labour Organisation (ILO) verabschiedet wurde. Da diese jedoch nur von wenigen Ländern unterschrieben und erst recht nicht umgesetzt wurde, arbeiteten wir an den vier Tagen an Lösungen für die problematische Situation.
Zunächst stellten einige Länder jedoch erst einmal ihre Perspektive durch sogenannte Policy Statements dar. Dadurch konnten schon potentielle Partner gefunden werden, mit denen danach im lobbying gemeinsame resolutions verfasst wurden. Beim Lobbying sucht man Verbündete, also Länder mit ähnlichen Lösungsideen, und schreibt diese dann als resolutions auf. In unserem committee gab es letztendlich zwei davon, bei der einen war Kenia main submitter, bei der anderen Irak. Ich war co submitter bei der Letzteren und da ich noch nichts gesagt hatte, wurde ich plötzlich dazu aufgefordert, eine Rede über die Resolution zu halten. Völlig unvorbereitet erklärte ich also, warum Georgien für Iraks Resolution plädierte und beantwortete anschließend noch points of information von anderen delegations. Das war sehr aufregend, aber auch nicht so schlimm, wie ich zunächst dachte. Anschließend wurden beide Resolutionen ausführlich im committee diskutiert, wobei es wichtig ist, weder I noch You zu benutzen, da es sich ja nicht um die eigene Meinung handelt, sondern um die des Landes, welches der Delegierte vertritt. Da dies nicht immer eingehalten wurde, gab es einige punishments, bei denen sich die chairs, also die Vorsitzenden, lustige „Bestrafungen“ ausdachten, wie das Tanzen und Singen vor dem ganzen committee. Dadurch wurde die Stimmung aufgelockert. Letzten Endes wurde dann nur die Resolution von Kenia angenommen.
Es gab viele kleinere Pausen, in denen man sich gut mit den Leuten, die man kennengelernt hat, unterhalten konnte. Auch während der sessions kann man durch note passing mit anderen Delegierten kommunizieren.
Am ersten und letzten Tag gab es eine opening und closing ceremony, in welcher jeder OLMUN Teilnehmer anwesend war. Hier wurden OLMUN und die Arbeit der verschiedenen committees vorgestellt.
Wir hatten alle eine tolle Zeit, unserer committee war sehr engagiert und wir haben viele neue Leute bei den Abendaktivitäten getroffen.
Ich kann OLMUN nur empfehlen, gerade wenn man politik- und/oder englischinteressiert ist. Aber auch, wenn man neue Leuten kennenlernen und Erfahrungen sammeln möchte, ist dies eine tolle Möglichkeit. Ich freue mich schon auf die OLMUN Conference 2019!
Erja Steinmetz, 9b
Krisensitzung im Sicherheitsrat
Der 12. Juni 2018. Mit vollgepackten Koffern, frisch gebügelten weißen Hemden und bunten Krawatten standen wir am Bahngleis am Hauptbahnhof Berlin. Unser Zielort: UNO-Hauptquartier, New York, am 8. April 1994.
13 Schülerinnen und Schüler des Gabriele-von-Bülow-Gymnasiums haben an der 18. OLMUN teilgenommen. OLMUN, eine Abkürzung für Oldenburg Model United Nations, ist ein Planspiel der Vereinten Nationen. Mit einer Teilnehmeranzahl von über 700 Schülern wird OLMUN jedes Jahr von Schülern für Schüler als die größte MUN Deutschlands organisiert.
Das Planspiel ist simpel. Jeder Teilnehmer muss ein Land oder eine NGO in einem bestimmten Komitee vertreten. Man kann Amnesty International in der General Assembly sein, China im Security Council oder vielleicht auch Australien im Human Rights Council. Das Spektrum ist breit. Über 200 Länder und NGOs konnten 2018 in 10 verschiedenen Komitees vertreten werden. Das neue Komitee dieses Jahr war die Arab League. Alles läuft auf Englisch, da Schüler aus anderen Ländern wie den USA, Kanada, den Niederlanden, Ungarn, Rumänien usw. an der MUN teilnehmen.
In meinem Komitee, dem Historical Security Council, bekommt das Ganze eine weitere Dimension: Wir reisten in die Zeit und landeten im Jahr 1994, zwei Tage nach dem Mordanschlag, der den damaligen ruandischen Präsidenten das Leben kostete. Der Mordanschlag entzündete einen Genozid der ethnischen Mehrheit der Hutus gegen die Minderheit der Tutsis. Dem Genozid sollen in 100 Tagen ca. 500 000 – 800 000 Menschen zum Opfer gefallen sein. Die Bevölkerung Ruandas betrug damals etwa 6 Millionen Einwohner. Die Regierung, die Armee und die Medien waren in den Händen von Hutu-Extremisten, die im Inland die Massaker zuließen – oder sich an ihnen sogar aktiv beteiligten. Im Ausland versuchte die Diplomatie den Genozid zu leugnen oder zu verbergen. Der Vertreter dieser Regierung sollte ich bei der OLMUN 2018 sein.
„Moralisch nicht vertretbar“, der erste Gedanke jedes gesund gesinnten Menschen. Nach einer Recherche über das Thema stellte sich mir die Frage: „Wir sollen im Historical Security Council versuchen, eine Lösung zu finden, die den Genozid verhindert. Scheitern war das bittere Ende aller diplomatischen Mühen 1994. Die Welt konnte ein „Nie wieder“ nicht verwirklichen. Die Menschheit hat versagt. Wie sollte es uns gelingen, was keinem 1994 gelungen war?“
Vor einer Antwort stellt mich Oldenburg vor mehrere Dilemmata. Ich musste auf der einen Seite eine Lösung finden und auf der anderen Seite in der Rolle bleiben und den Teufel vertreten. Wie könnte dies miteinander vereinbart werden? Was für eine Lösung würde den Teufel zufriedenstellen? Will der Teufel überhaupt mit seinen Opfern eine gemeinsame Lösung finden? Wenn ja, bleibt er dann noch ein Teufel? Wenn nein, bin ich aus der Rolle getreten?
In der Rolle zu bleiben, bereitete nicht nur mir eine große Schwierigkeit. Die Delegation von China(!) fand sich in der Position eines Menschenrechtsaktivisten, als ihr Vertreter das Morden zu stoppen versuchte und von Menschenrechten predigte. Das zeigte mir, dass es auch den anderen schwerfiel, die Stimme der Moral zu ignorieren, obwohl sie nicht den Teufel repräsentieren mussten.
Nach einigen Diskussionen und Abstimmungen entwickelte ich eine Methode, um in meiner Rolle bestmöglich zu bleiben. Eine kleine Stimme in mir flüsterte in jeder Committee Session und predigte von Moral, dem Wert des menschlichen Lebens und der Wichtigkeit der Solidarität. Ich sollte das Geflüster nicht ignorieren, sondern zu Ende zuhören und dann das Gegenteil vertreten. Die Frage war dann: „Hat die ruandische Delegation im Sicherheitsrat 1994 das auch gemacht, oder ist es meine eigene Erfindung?“
Die Armee des Teufels musste von mir vor Waffenembargos geschützt werden. Für die Radiostationen, die Hass auf ihren Wellen verbreiteten und zum Tod der Tutsi-„Schlangen und Schaben“ aufriefen, trat ich als „Verteidiger der Medienfreiheit“ auf. Für die „Hutu Power Movement“, eine Bewegung, die aufgrund des Rassenwahns für die Ausrottung der Tutsis stand, setzte ich mich nach dem Prinzip der Meinungsfreiheit ein im vollen Wissen, dass im Vergleich zu der heutigen White Supremacy das Letztere ein Kinderspiel ist.
Die Einigung aller anderen Länder im Komitee für ein Aufhalten des Mordens durch ein Waffenembargo, Verstärkung der UN-Truppen in Ruanda und die Einführung von „Safe Havens“ für die Opfer erleichterte die Delegation von Ruanda nicht, mich als Menschen aber schon. Der Mensch in mir freute sich darüber, dass die Rolle kein Veto-Land im Sicherheitsrat auf ihrer Seite hatte.
Die Antworten auf meine Fragen fielen mir auf der Rückfahrt nach Berlin ein. Es ist uns in Oldenburg gelungen, weil wir alle zusammengehalten haben – hier zähle ich mich mit als Amin, den Menschen, und nicht als die Delegation von Ruanda. Wir hatten die Bedenklichkeit der Situation erkannt und dann eingegriffen. Nichtstun hatten wir als keine Lösung betrachtet. Dieser Mut ist es, was wir heute in unserer Welt brauchen. Mit dieser Lektion bin ich in Berlin angekommen.
Amin Al Magrebi (2. Sem.)