„Schläft ein Krieg in allen Dingen“
„Im Wohnzimmer meiner Großmutter hing eine Fotografie. Zwei Männer in Anzügen, vertieft ins Schachspiel. Der rechte Mann ist mein Großvater Werner Wendlandt, der Mann gegenüber sein Freund aus Kindertagen, Leopold Friedbauer.“
So beginnt die familiengeschichtliche Recherche („Schläft ein Krieg in allen Dingen“), die die Berliner Autorin und Dokumentarfilmerin Sandra Prechtel vor Schüler*innen aus Geschichts- und Deutsch-Kursen des 4. Semesters am 23. Februar 2023 in der Aula unserer Schule vorstellte.
Was hier in etwa einer Stunde vor vielen sehr aufmerksamen Zuhörer*innen lebendig wird, ist die komplexe Geschichte einer Freundschaft – einer Freundschaft, die im ganz Konkreten den großen Fragen nachgeht, die sich bis heute spürbar in viele Familiengeschichten eingeschrieben haben. Fragen um (Mit)-Verantwortung, um (Mit)-Täterschaft, um Erinnern und Verdrängen in und nach der NS-Zeit.
Wie wird der eine von den beiden auf dem Foto, der Großvater der Autorin, als Jurist zum Mit-Schuldigen im NS-Unrechtsstaat, der nicht verhindern kann, dass der andere, der jüdische Freund, mit seiner Familie ins KZ kommt? Und: was hat es mit den Internierungslagern auf sich, die nach dem Krieg von der sowjetischen Militäradministration eingerichtet wurden, um als gefährlich eingestufte Personen festzuhalten?
Der Großvater der Autorin kommt in einem solchen Lager, im „Speziallager“ in Sachsenhausen bei Berlin, um – während der Freund als gebrochener Mann im Nachkriegsdeutschland überlebt.
Historische Archive sind wichtige Speicher unserer Erinnerung
Gestützt von zahlreichem Bildmaterial, Familienfotos, historischen Dokumenten aus Archiven sowie atmosphärisch dichten Landschaftsfotografien entwickelt die Autorin ein Zeit-Bild, in dem sich Privates unmittelbar mit Politischem verbindet.
Die Schüler*innen zeigen sich in der an die Lesung anschließenden Fragerunde und Diskussion beeindruckt von der Geschichte. Davon, wie die im Geschichtsunterricht behandelten Zeiträume „Nationalsozialismus“ und „Nachkriegszeit“ sehr konkret nachvollziehbar werden – und nicht zuletzt davon, welche große Bedeutung historischen Archiven als Speicher unserer Erinnerung zukommt.
Fr. Dr. Weber