Opfer - Täter - Zuschauer
Die Geschichtswerkstatt „Täter, Opfer, Zuschauer. Die Verfolgung von Minderheiten in der NS-Gesellschaft“ des Deutschen Historischen Museums
Die Klasse 9a besuchte am Mittwoch, den 21.03.2018, das Deutsche Historische Museum, um an der Geschichtswerkstatt „Täter, Opfer, Zuschauer. Die Verfolgung von Minderheiten in der NS-Gesellschaft“ teilzunehmen. Die Museumsführer Michael Adam und Andreas Hawner betreuten uns während des zweistündigen Workshops. Zunächst zeigten sie uns Objekte der Ausstellung, mit denen wir uns später beschäftigen würden. Wir lernten zwei spezielle Fälle kennen, aus denen wir in den folgenden zwei Stunden in kleineren Gruppen erarbeiten sollten, wer die Täter, Opfer oder Zuschauer im Nationalsozialismus waren und welchen Handlungsspielraum sie jeweils hatten.
Vorstellung der beiden Fälle
Der erste Fall handelte von dem jüdischen Ladenbesitzer Richard Stern, der von dem Boykott jüdischer Geschäfte im Jahr 1933 betroffen war.
Hitler hatte den Auftrag gegeben, dass Mitglieder der „Sturmabteilung“ und der „Schutzstaffel“ sich vor den Geschäften postierten, um Kunden am Betreten des Geschäfts zu hindern. Menschen, die trotzdem das Geschäft betraten, wurden fotografiert oder man notierte sich ihre Namen. Den Kunden wurde auch mit Gewalt gedroht.
Im zweiten Beispiel stellte man uns das Schicksal der Familie Geiger vor. Die Tochter Margot musste auf Grund ihrer Behinderung in eine Pflege-und Heilanstalt eingewiesen werden, da sie in den Augen des Staates wie 200.000 weitere „unheilbar kranke“ Menschen, eine Belastung darstellte. Margot Geiger starb in dieser Heilanstalt. Ihren Angehörigen wurde nur ein Brief geschickt, der sie über Margot Geigers „natürlichen“ Tod informierte.
Doch eigentlich spielte sich hinter verschlossenen Türen etwas anderes ab. In Hitlers Schreiben aus dem Oktober 1939 bevollmächtigte er den Reichsleiter Phillip Bouhler und den Arzt Karl Brandt mit der organisatorischen Durchführung der „Euthanasie“, also dem Töten von Menschen, deren Leben aufgrund von Behinderung, einer unheilbaren Krankheit oder des Alters, in der Sprache des NS-Regimes als „lebensunwert“ bezeichnet wurden.
Eben dieses Schreiben, das auf Adolf Hitlers privatem Briefpapier geschrieben wurde, hat folgenden Wortlaut:
„Reichsleiter Bouhler und Dr. med. Brandt sind unter Verantwortung beauftragt, die Befugnisse namentlich zu bestimmender Ärzte so zu erweitern, dass nach menschlichem Ermessen unheilbar Kranken bei kritischster Beurteilung ihres Krankheitszustandes der Gnadentod gewährt werden kann.“
Dieses Schreiben hatte wegen fehlender Formalitäten eigentlich keine Rechtsgültigkeit, dennoch wurde der Befehl durchgesetzt. So starb Margot Geiger keinen natürlichen Tod, sondern wurde in einer der Heilanstalten vorsätzlich getötet.
Herangehensweise
Unsere erste kleine Aufgabe bestand darin, in Zweiergruppen eine Frage auf einen Zettel zu schreiben, die uns zu einem der Fälle einfiel. Die Museumsführer lasen die einzelnen Fragen vor und wir sortierten sie in Gruppen.
Fall Stern | Täter | Opfer | Zuschauer |
Fall Geiger | Täter | Opfer | Zuschauer |
Dann sollten wir uns in Vierergruppen zusammenfinden und jede Gruppe bekam einen Arbeitsbogen mit Informationen zu einem der beiden Fälle und einer der drei Kategorien (Täter, Opfer oder Zuschauer). Die jeweilige Gruppe nahm sich auch die Zettel mit den Fragen mit, die an diese gerichtet waren um Antworten darauf zu finden.
Nun gingen wir selbstständig zu dem Teil des Museums, wo unser Fall ausgestellt war, und versuchten die drei Fragen auf unserem Arbeitsbogen zu beantworten, um dann später der Klasse über unseren Bereich zu erzählen.
Meine Gruppe bekam den Fall von Richard Stern zugeteilt und sollte sich speziell mit den Tätern auseinandersetzen. Die Leitfragen, welche auf unserem Arbeitsbogen standen, lauteten „Wer waren die Täter des Nationalsozialismus?“; „Wie und warum wurden sie Täter?“; „Welchen Handlungsspielraum hatten sie?“ Eine Wand im Museum, die sich mit dem Boykott jüdischer Geschäfte befasst, war unsere Informationsquelle.
Das Resultat
Fall Richard Stern
Täter: Die Täter waren Adolf Hitler und die Masse der Parteimitglieder der NSDAP, speziell die „Schutzstaffel“ und die „Sturmabteilung“. Sie handelten meist aus Überzeugung, die stark durch die Propaganda der NSDAP gefördert wurde. Sie glaubten daran, dass alle ohne sozialen Unterschied leben könnten und das man nicht mehr mit Klassenkampfgeist leben müsste, da alle Menschen „gleich“ wären. Auf der andern Seite wurden die Teile der Bevölkerung von den Nationalsozialisten vertrieben und getötet, die nicht in deren Weltbild passten. Die Nationalsozialisten wurden zu Tätern, da sie die Schließung der jüdischen Geschäfte verlangten und die Geschäfte bewachten, um das Betreten dieser zu verhindern. Außerdem wurden die Namen der Kunden notiert oder Fotos gemacht und mit Gewalt gedroht.
Natürlich lag es im Ermessen der einzelnen Personen, ob sie der NSDAP beitreten oder nicht. Auch kam es auf den individuellen Menschen an, ob er sich von der Propaganda der Nationalsozialisten überzeugen ließ und ebenfalls die antisemitische Haltung annahm. So hatte jeder Mensch eigentlich einen recht großen Handlungsspielraum bei der Frage, ob er sich aktiv dazu entschied, ein Täter zu werden, indem er den Nationalsozialismus unterstützt oder nicht.
Doch wenn man schon ein Mitglied der SS oder SA war, verkleinerte sich der Handlungsspielraum. Wenn ein Befehl des NSDAP-Chefs Adolf Hitler gegeben wurde, hätte es wahrscheinlich Bestrafungen gegeben, wenn man ihn verweigerte.
Doch auch dann hätte man definitiv die Wahl gehabt, zwischen dem bloßen Bewachen der Geschäfte und dem Drohen und dem Anwenden von Gewalt.
Am 1. April 1933 verlief der „Judenboykott“ jedoch nicht nach den Vorstellungen der Nationalsozialisten. Anstatt der geplanten Länge von einer Woche ließ sich der Boykott nur für einen Tag aufrechterhalten. Dieses Fiasko war vor allem dadurch entstanden, dass 1933 ein Großteil der Bevölkerung nur sehr gering auf den Geschäftsboykott reagierte. Außerdem wurde die Aktion international sehr stark kritisiert, was eine Gefahr für das Ansehen der NS-Regime darstellte und eine Bedrohung für die Wirtschaft bedeutete.
So hatten die Nationalsozialisten keine andere Wahl, als den Boykott vorzeitig abzubrechen.
Persönliche Meinung über die Exkursion
Ich fand das Thema und den Fall von Richard Stern sowie Margot Geiger sehr interessant. Gut gelungen war meiner Meinung nach, dass wir Schüler uns die Informationen größtenteils aufgrund von guter Vorbereitung der Arbeitsmaterialien durch das Museum selbst erschließen konnten und so unser selbstständiges Arbeiten gefördert wurde. Jedoch fiel mir etwas negativ auf, dass es ein kleines Missverständnis zwischen dem Museum und unserer Schule die Dauer der Exkursion betreffend gab. Anstatt der zwei Stunden, die uns von unseren Lehrern mitgeteilt wurden, waren ursprünglich vier Stunden im Museum geplant. Die Geschichtswerkstatt wäre dementsprechend auch anders gestaltet worden. Die Aufgabe, die wir hätten bearbeiten sollen, wäre anspruchsvoller und ausführlicher gewesen.
Ich kann also nur sagen, wie mir die improvisierte Geschichtswerkstatt gefiel. Nichtsdestotrotz kann ich diese Exkursion weiterempfehlen, wenn man Museumsbesuche interessant findet, aber dabei gerne einmal mehr machen würde, als seinem Museumsführer ausschließlich zuzuhören und gerne mehr über spezielle Aspekte des Nationalsozialismus erfahren möchte.
Greta J. (9a)