Für OLMUN geben wir alles - sogar Ferien!

Ferien. Aufgeschoben für OLMUN

7:15 Dienstagmorgen. Berlin Hauptbahnhof.

Man fragt sich, wieso wir das hier machen. Wir, das sind ein Junge, sieben Mädels und Frau Kassel. Später noch zwei weitere Jungs.

Was wir machen, ist, an der OLMUN teilnehmen.

Die OLMUN ist die alljährliche Model UN in Oldenburg. Dort kommen Schüler, teilweise Ehemalige und Studenten aus aller Welt zusammen, um auf englisch verschiedene Themen zu diskutieren. Hierbei vertreten sie verschiedene Länder der Vereinten Nationen und kommen in Komitees zusammen, welche denen nachgebildet sind, die man auch in der “echten” UN finden kann, wie NATO (North Atlantic Treaty Organisation) oder HRC (Human Rights Council).

Die Themen sind unterschiedlich und variieren von Komitee zu Komitee. Zum Beispiel diskutiert die General Assembly 1st den illegalen Handel von Waffen und die World Health Assembly die Prävention gegen und Kontrolle von Epidemien.

Am Ende jeder Sitzung hoffen die Komitees, verschiedene Resolutionen verabschieden zu können, welche mit viel Hoffnung nach New York, dem UN-Hauptsitz, geschickt werden und dort den Diplomaten Anregungen für das wirkliche Leben geben.

Anfangs, noch bevor wir überhaupt nach Oldenburg fuhren, überlegten wir uns Länder, die unsere Gruppe vertreten könnte. Letztendlich bekamen wir Kanada und Eritrea zugeteilt. Dann ging es darum, wer welches Komitee besuchen würde und mit welchem Land. Zur Auswahl für uns standen insgesamt sieben Komitees.

Nun, Dienstagmorgen.

Wir warten auf unseren Zug, der uns auf direkten Wege nach Oldenburg bringen soll. Die Zugfahrt dauerte um die fünf Stunden. Diese vertrieben wir uns mit Redenschreiben, Cards against Humanity und einer kleinen Snackpause in Hannover. Eine halbe Stunde bevor wir in Oldenburg eintreffen sollten, tauschten nach und nach alle ihre Jogginghosen und T-Shirts gegen schicke Business-Klamotten. Nur einer war schon im Anzug in Berlin aufgetaucht. Von allen Seiten wurden wir beäugt und irgendwann fragte dann eine ältere Dame, wohin wir denn gehen würden. Dies, Business-Klamotten und nur noch Englisch reden, stellt man in Oldenburg auch als das Oldenburg-Phänomen dar. Hierbei taucht die ganze Stadt für eine Woche in eine Welt ein, die für New York, Brüssel und Wien den bloßen Alltag ausmacht.

Das Spannende an der OLMUN ist, dass die ganze Stadt involviert ist. Mit fast 1000 Teilnehmern ist sie in Deutschland auch die größte Model UN.

Während ich in hohen Schuhen den anderen hinterherkeuchte, zogen wir unsere Koffer in die kleine, aber feine Dachgeschosswohnung unweit der Altstadt, in der noch so mancher Unsinn passieren sollte.

Jetzt ging es aber erst richtig los. Wir machten uns auf den Weg in die Weser-Ems-Halle, in welcher die Eröffnungszeremonie und später auch die General Assembly 1st tagen sollten. Man kann es gar nicht in Worte fassen, aber das Eintreten in die Halle ist der helle Wahnsinn. Nun sind alle 1000 Teilnehmer auf einem Platz, alle 193 Mitgliedstaaten sind vertreten und die Organisatoren und Helfer huschen umher, um noch die letzten Dinge zu erledigen.

Es klingt wie ein aufgeregter Bienenschwarm, wenn alle durcheinander reden. In dieser Konferenz gibt es eine Menge sogenannter First-Timer, welche die OLMUN das erste Mal besuchen. Wir bringen fünf First-Timer mit, wobei einige schon anderweitig MUN-Erfahrung sammelten.

Die Konferenz beginnt und es ist still im Saal. Auf unserer Seite, den stolzen Kanadiern, werden fleißig Notes geschrieben, einige auch, die weniger mit ihren Themen zu tun haben und sich mehr mit der Auseinandersetzung über den Klimawandel beschäftigen.

Es wurden lange Reden gehalten, vom Bürgermeister von Oldenburg, der eine große Begeisterung für die OLMUN zum Ausdruck brachte, und einer Professorin aus der Universität Potsdam, bei der es den meisten recht schwer viel, die Augen offenzuhalten.

Neben den Konferenzen bietet die OLMUN jedoch auch ein unterhaltendes Nachmittagsprogramm. Am Dienstag wurde gegrillt. Raus aus den Blusen und Hemden, außer bei Lola, und rein in Jeans und Pulli. Das Grillen fand auf einem Schulhof statt. Diese Angebote waren gut, um mehr persönlichen Kontakt herzustellen. So auch für unsere Truppe, die durch Amin – der in diesem Jahr statt Delegierter zu sein, einen Komiteevorsitzenden spielte – einigen Zugang zum Inner Circle genoss. Wir aßen Würstchen, unterhielten uns prächtig und irgendwann fingen alle zu tanzen an. Dabei wurden wir mit einem merkwürdigen Tanz konfrontiert, bei welchem man auf dem Boden saß und anfing zu rudern!? Als wir dann Berlin City Girl erbaten, ernteten wir die komischen Blicke.

Mittwochmorgen. Unsere Dachgeschosswohnung.

Nach einem gemeinsamen Frühstück brachen alle zu ihren Komitees auf. Ich kann nicht viel von den anderen berichten, aber dafür war meins bestimmt umso besser.

Was ein gutes Komitee ausmacht, sind gute Chairs. Denn die Chairs, unsere Vorsitzenden, können sich einen riesigen Spaß machen und Delegierte auf die WHO-Liste setzen: Damit werden diejenigen bestraft, die I sagen statt We oder the delegation of. Lustige Punishments gibt es auch für unangemessene Kleidung, Fluchen oder wenn man von Englisch in die Muttersprache wechselt.

In den Komitees wurden erst einmal viele Notes geschrieben, um möglichst viele Verbündete zu finden, mit denen man später eine Resolution schreiben kann, die Chancen auf Erfolg hat. Dazu braucht man so viele Supporter, wie nur möglich. Leider gibt es manchmal überengagierte Delegierte, wie Marokko, dessen Delegierte mit einer komplett fertigen Resolution erschien und den ganzen Spaß aus der Sache nahm. Andere erfüllen dafür nicht ihre Rolle nicht wirklich, wie Frankreich, als Sicherheitsratsmitglied ein wichtiges Land, das eifrig seine Blümchen malte.

Nun, nach einer Gastrednerin von der Firma Bayer und einigen lustigen Punishments und Memes aus der Gossip-Box neigte sich die Arbeit im Komitee dem Ende zu. Ich, die eine komplette Resolution geschrieben hatte, war nun nur Co-Submitter und kein Main-Submitter. Die Rolle übernahm Deutschland. Mir sollte es Recht sein. Während Deutschland nun länger dabei bleiben musste, um durch das Approval-Panel zu gehen – die Resolution wurde Korrektur gelesen und es wurde geprüft ob andere Länder nicht diskriminiert wurden – konnte ich zu Hause in Ruhe Nudeln mit Pesto genießen. Auch Ivan musste durch das Approval-Panel, weil er ein Main-Submitter war. Main Submitter haben später die Aufgabe, die Resolution in ihrem Komitee vorzustellen.

Beim Nudelessen tauschten wir unsere Erlebnisse aus und freuten uns schon auf das Fußballspiel im Park, das jedoch wetterbedingt abgesagt wurde. Stattdessen gab es einen Film und Volleyball oder Twister in einer Halle.

Das Gewitter toste noch immer, als wir später in unserer Wohnung saßen und nun Gummern spielten, ein Spiel bestehend aus Taboo, Pantomime und Geräuschen. Schwer zu erklären, aber sehr lustig – und lehrreich: Es war eins der Spiele, die unseren Wortschatz mit den Wörtern Misanthrop, Frustrationstoleranz und Chairattraktivitätsrate anreicherte.

Donnerstagmorgen. Gleicher Schauplatz, gleiches Geschehen.

Der heutige Tag war den Debatten über die Resolutionen gewidmet.

Sie wurden vorgestellt, an ihnen wurde eine Menge gerüttelt und geschüttelt und am Ende kam es zur Abstimmung. Beim Rütteln und Schütteln geht es darum, Kompromisse zu finden, so dass die Resolution zum Schluss eine Mehrheit im Komitee findet. Bei uns sprachen hauptsächlich und mit großem Engagement Indien, Chad und vor allem die World Health Organisation. Zu meinem Glück kam meine Resolution durch.

Donnerstag schien der spannendste Tag der OLMUN, nicht zuletzt durch die große Abschlussparty im lokalen Club Molkerei.

Freitagmorgen. Letzter Tag.

Trotz Party in der Nacht hieß es, früh aufstehen und Koffer packen. Denn heute würde es direkt von der Abschlussveranstaltung zum Bahnhof gehen. Ein letztes Mal gingen Maja und ich unseren Weg durch die wunderschöne Oldenburger Altstadt mit den gefährlichen Radfahrern, die an jeder Ecke lauerten.

Ein letztes Mal Komitee. Ein letztes Mal Punishments, somit auch die Bestrafung meines Chairs Tom. Indien und ich schlugen vor, er solle aus Fifty Shades of Grey vorlesen, was er, zur Belustigung aller, mit einem irischen Akzent vollbrachte. Ivan wurde zum Best Delegate gewählt, Maja zum Most Unmotivated Delegate in der NATO, das angeblich unmotivierteste Komitee von allen. Was war da los??

Bei der Closing Ceremony in der Weser-Ems-Halle stellten die Chairs die letzten Tage in ihren jeweiligen Komitees vor. Es gab viel Gossip und Memes aus der Gossip-Box und zum Schluss gaben die Chairs ein Abschlusskonzert, das wir aber leider nicht mehr miterleben konnten, da wir unseren Zug bekommen mussten.

Zu Hause in Berlin angekommen und damit auch in den Sommerferien, wollten wir nur eins: Zurück nach Oldenburg. Wir plagten unsere Freunde mit der Komitee-Sprache, und damit mein abschließender Satz:

Motion to go back to OLMUN 2020.

Lilian Werk, 3. Sem.

 

Das war OLMUN 2019 – und nun auf in die Ferien!