Ein Rollenspiel zum Prozess gegen die Grenzsoldaten, die Chris Geuffroy 1989 ins Herz schossen
Die Klasse 10e des Gabriele-von-Bülow-Gymnasiums erhielt am 13. November 2015 im Rahmen des Geschichtsunterrichts Besuch vom Schriftsteller und Journalisten Roman Grafe und dem früheren Strafrichter Theodor Seidel. Roman Grafe ist der Autor eines Sachbuches über die Prozesse gegen DDR-Grenzschützen und ihre Befehlsgeber.
Als Einstimmung auf die Situation im Februar 1989 las Roman Grafe Passagen aus seinem Buch vor. Die Schüler/innen erfuhren, dass Chris Geuffroy 20 Jahre alt war, als er und sein Freund Christian Gaudian in der Nacht zum 5. Februar 1989 an der Grenze zwischen dem Ostberliner Bezirk Treptow und dem westlichen Bezirk Neukölln versuchten, über die Mauer nach Westen zu flüchten. Durch eine Gartenanlage hatten sie sich der Mauer genähert und mit Hilfe einer mitgebrachten Leiter kletterten sie über die erste Sperrmauer. Allerdings wurden sie von Grenzsoldaten eines nahegelegenen Wachturms entdeckt. Trotz erster Aufforderungen stehen zu bleiben und einem Schuss in Geuffroys Füße, versuchten die beiden Flüchtlinge mit einer Räuberleiter über den letzten Grenzzaun zu gelangen. Da sie nicht den Befehlen gehorchten, wurden von den beiden Grenzsoldaten Schüsse abgegeben, von denen Chris einen tödlichen Schuss ins Herz traf. Christian Gaudian wurde nur leicht verletzt, festgenommen und später zu dreieinhalb Jahren Haft wegen Republikflucht verurteilt. Geuffroys Mutter, Karin Geuffroy, erstattete nach dem Mauerfall Anzeige gegen Unbekannt.
Die beteiligten Grenzsoldaten wurden nach Ende der DDR vor einem Gericht der Bundesrepublik wegen Totschlags angeklagt. Die Angeklagten waren die Grenzsoldaten Ingo Heinrich, Mike Schmidt, Andreas Kühnpast und Peter Schmett. Sie sagten, ihr Befehl habe gelautet, Grenzverbrecher zu stoppen, wenn nötig durch gezielte Schüsse. Der Todesschütze Ingo Heinrich beteuerte, nicht absichtlich auf den Oberkörper von Chris Geuffroy gezielt zu haben.
Den Ablauf dieses Prozesses schilderte der damals Vorsitzende Richter den Schülern.
Im Rollenspiel, in dem die Schüler/innen den Prozess nachspielten, gab es nur einen Angeklagten, der sehr authentisch von einem Mitschüler dargestellt wurde. Es gab fünf Richter, zwei Staatsanwälte und dem Angeklagten standen zwei Strafverteidiger zur Seite. Nebenklägerin im Prozess war Geuffroys Mutter Karin Geuffroy, die von einer Schülerin gespielt wurde. In dem nachgespielten Prozess war oft die Rede davon, dass der Angeklagte sich beim Zielen abgestützt habe, jedoch am vereisten Geländer abgerutscht wäre und der Lauf seiner Kalaschnikow Maschinenpistole dadurch weggerissen sei. Im echten Prozess spielte dies allerdings keine Rolle.
Die Presse hat während des kompletten Prozesses Notizen gemacht. Das Publikum war still und konnte im Anschluss Fragen stellen und Meinungen äußern. Roman Grafe hat den Richtern bei der Urteilsfindung geholfen. Schlussendlich sind sie auf das Urteil gekommen, dass der Angeklagte 7 Jahre Haftstrafe erhält.
Die Schüler und Schülerinnen der Klasse 10e haben durch diesen Tag viel über den Mauerschützenprozess dazu gelernt und konnten sich dadurch, dass sie den Prozess nachspielten die Situation besser vorstellen. Zudem haben sie einen Einblick bekommen, wie so ein Prozess ungefähr abgelaufen sein könnte.
Dieses Projekt können wir allen Schüler/innen, die sich für die Geschichte der DDR interessieren, sehr empfehlen.
Gizem Ahmetoglu und Emily Fleischer