Syrien - Aufstand, Revolution, Bürgerkrieg
Syrien – Ende des Bürgerkriegs und Rückkehr zur Normalität?
Unter dieser Überschrift beschäftigten sich am Donnerstag, den 31. Januar 2019 Oberstufenschüler/innen einen Vormittag lang intensiv mit dem Konflikt in Syrien.
Das Programm:
9.00 Uhr – Filmvorführung The Impossible Revolution (2018), ca. 90 Min.
Ein Dokumentarfilm der irischen Filmemacher Anne Daly und Ronan Tynan, in dem zahlreiche Augenzeugen zu Wort kommen, die dem Zuschauer die Realität des syrischen Bürgerkriegs vor Augen führen, und der die Aussage, der syrische Konflikt sei zu „kompliziert“, als Mythos entlarvt.
In dem Film kommt u.a. der syrische Intellektuelle Yassin Al-Haj Saleh zu Wort, der unter dem gleichnamigen Titel 2017 ein Buch in englischer Sprache veröffentlicht hat: The Impossible Revolution. Making Sense of the Syrian Tragedy.
Im anschließenden Podiumsgespräch, moderiert von Amin Al Magrebi, legten
- die Journalistin Kristin Helberg (Der Syrien-Krieg, 2018 erschienen im Herder-Verlag)
- Dr. Usahma F. Darrah, Politologe, im Vorstand des Verbandes deutsch-syrischer Hilfsvereine
- Anas Albasha, Student und Aktivist von der Universität Aleppo, jetzt TU Berlin
ihre Sicht der Entwicklung dar, vertieften dabei Aspekte des Films und stellten sich den Fragen der Schülerinnen und Schüler.
Dr. Brigitte Kassel
Stimmen aus dem Publikum
Syrien – Was der Krieg mit den Menschen macht
Der syrische Krieg dauert nun seit acht Jahren an. Unvorstellbar, dass einst der Beginn dieses komplexen Konfliktes das Streben nach Menschenrechten, Demokratie und Freiheit unterdrückter Bürger war. Diese Werte sind für uns Deutsche selbstverständlich. Die Veranstaltung in der Aula am 31. Januar 2019, die einerseits Filmvorführung, andererseits Podiumsgespräch war, gab den Syrern eine Stimme, für die diese Werte nicht selbstverständlich sind. Die Schülerinnen und Schüler der 11. und 12. Klasse sollten ein anderes Bild vom Syrien-Krieg bekommen, der so häufig von einseitiger Berichterstattung und Interessen geprägt ist.
Der Film „Syria – The Impossible Revolution“ bot einen guten Einstieg in die Veranstaltung, obwohl dieser in englischer Sprache war. Der etwa 90-minütige Film zeigt die Entwicklung der syrischen Revolution, die mit friedlichen Protesten begann und sich schnell in ein Blutbad entwickelte. Der Film geht an den Anfang des Assad-Regimes zurück und erläutert, warum die Herrscherfamilie das syrische Volk zum „kingdom of silence“ macht. Die Dokumentation spannt einen realitätsnahen Bogen über die Entwicklung des Krieges auf der Basis von Interviews mit Oppositionellen, Männern wie Frauen, und Experten im Ausland. Der Film zeichnet nach, wie das Regime durch die gezielte Förderung des Sektierertums die Bevölkerungsgruppen z.T. gegeneinander ausgespielt hat und wie es durch seine brutale Reaktion auf die anfänglichen Proteste die Bewaffnung der Revolution und damit den Bürgerkrieg angeheizt hat.
Der Dokumentarfilm vermittelt eine klare Botschaft, Assad wird als der IS im Anzug dargestellt und nicht etwa als das kleinere Übel.
In der Pause vor der Podiumsdiskussion erzählt mir eine Schülerin, dass sie nicht glaube, dass der Nahe Osten bereit für eine demokratische und liberale Lebensweise und Politik sei, aufgrund der rückschrittlichen Denkweise bezüglich der Gleichberechtigung der Geschlechter. Die Meinungen und Kommentare in der Schülerschaft sind sehr verschieden und reichen vom üblichen „anti-Flüchtlings-Geleier“ bis hin zu unterstützenden Worten für den syrischen Frühling.
Der jüngste Gast auf dem Podium war Anas Albasha, der selbst als Student in Aleppo gegen das Assad-Regime demonstrierte und dabei mehrfach angeschossen wurde. 2014 flüchtete Anas nach Deutschland.
Kristin Helberg, eine renommierte Journalistin und Autorin, die lange in Syrien gelebt und gearbeitet hat, kam direkt von einer Lesung in Hamburg angereist, um an der Podiumsdiskussion teilzunehmen. Sie berichtete u.a. eindrücklich von dem Misstrauen in der syrischen Gesellschaft während der Diktatur der letzten Jahrzehnte, die sie als Journalistin selbst erlebt hat.
Der Politologe Dr. Usahma Felix Darrah ist im Vorstand des Verbandes Deutsch-Syrischer Hilfsvereine e.V. Er setzt sich für die Opfer des Regimes im In- und Ausland ein, gleichzeitig möchte er die Syrer als Volk nicht in die „Opferrolle“ gedrängt sehen.
Der Moderator – Amin aus dem 4. Semester – stellte kritische Fragen an die Experten bezüglich der Aussichtslosigkeit des Kampfes für die Syrer. Anas‘ Antwort berührte viele Schüler und rief Bewunderung hervor, die zu einen neuen Verständnis für Flüchtlinge führt. Anas sieht die Revolution als einen kleinen Teil von einer großen Revolution. Die Flucht vieler Syrer betrachtet er nicht als sinnlos, da diese sich von Assad lösen und ihn somit verlieren lassen – Assad hat so einen Teil seines Volks verloren.
Im letzten Teil der Veranstaltung wurden die Schüler gebeten, Fragen an das Podium zu stellen. Durch die Vielschichtigkeit der Veranstaltung und den vermeintlichen Druck, vor der Schülergemeinschaft und den Experten auf keinen Fall eine falsche Aussage zu machen, blieb die Fragerunde recht kurz.
Eine Frage jedoch drückte das aus, was wahrscheinlich viele Schüler dachten: Es wurde ein pessimistisches Bild der Lage in Syrien, wo Assad den Krieg weitgehend gewonnen hat, gezeichnet. Was kann die Zukunft bringen?
Kristin Helberg und Usahma Darrah waren sich einig, dass mit der Festigung des Assad-Regimes für eine gewisse Zeit wieder Friedhofsruhe in Syrien einkehren werde. Die Gesellschaft insgesamt sei bislang noch nicht reif gewesen für den Umsturz. Man müsse sich vorstellen, was jahrzehntelanges Leben unter den Bedingungen der Diktatur und ohne Freiheitsrechte in den Köpfen der Menschen anrichte – in jedes Hirn sei „ein kleiner Assad“ eingepflanzt. Die Podiumsgäste appellierten aber auch an uns und unseren Beitrag. Wir haben die Pflicht, uns zu informieren und Haltung zu zeigen; denn umgekehrt ist uns die Demokratie auch nicht notwendigerweise auf immer geschenkt und garantiert.
Die Veranstaltung hat einen Dialog zwischen den Schülern geschaffen und uns einen neuen Blickwinkel auf die Nahost-Konflikte gegeben. Auch, wenn die Podiumsdiskussion keine Diskussion oder Fragerunde im eigentlichen Sinn war, hat sie ihre aufklärende Funktion völlig erfüllt. Durch den Austausch mit anderen Schülern wurde ich auch aufmerksam auf eine Organisation, die die Demokratisierung in Syrien unterstützt und den Aktivisten eine Plattform gibt. Adoptarevolution.org leistet Aufklärungsarbeit und gibt einen Raum für Aktivisten.
Luise H., 2. Sem.
Syrien – Ende des Bürgerkriegs und Rückkehr zur Normalität?
Mit dieser Problemfrage beschäftigten wir uns am Donnerstag, den 31. 01. 2019. Die Grundlage dazu war ein Film namens „The Impossible Revolution“, den einige Schülerinnen und Schüler im Herbst des letzten Jahres schon einmal gesehen hatten, der sie so sehr interessierte, dass sie ihn weiteren Geschichts- und Politikinteressierten an der GvB zeigen wollten.
Ich ging in die Veranstaltung mit einem eher mulmigen Gefühl, da wir im Unterricht mit Worten wie „harter Tobak“ über den zu zeigenden Film sprachen. Dennoch war ich sehr interessiert an dem Thema. Dieses Interesse beruhte auf Nachrichten aus Syrien, dessen Problematik für mich aber zu diesem Zeitpunkt weniger stark präsent war. Insbesondere durch den Unterricht, welcher auf den Syrienkonflikt vorbereitete, wurde mir bewusst, mit welchen Ungerechtigkeiten und Schicksalsschlägen die Menschen in Syrien zu kämpfen hatten und es immer noch haben.
Der Film „The Impossible Revolution“ war für mich letztendlich gar nicht so grauenvoll wie erwartet, sondern eher hochinteressant. Er erzählt die ganze Geschichte des Bürgerkrieges in Syrien aus unterschiedlichen Perspektiven und mit Blick auf verschiedene Schicksale. Auch wenn wir schon vom Ablauf des Konfliktes gelesen hatten, wurden mir erst durch den Film wirklich die Augen geöffnet für die Grausamkeit des Assad-Regimes. So kam darin z.B. eine Mutter vor, deren Sohn Arzt war und der, um zu helfen, nach Syrien reiste, wo er grundlos vom Militär festgenommen wurde, damit die Opposition in keiner Weise mehr unterstützt werden konnte.
Der Film beleuchtet außerdem das Versagen der Internationalen Gemeinschaft, dem Volk zu einer Demokratie zu verhelfen. Sie gab sich letztendlich lieber mit Assad zufrieden, als aus Furcht vor einer weiteren Eskalation die Opposition in ihrem Drang nach Demokratie zu unterstützen.
Insgesamt fand ich den Film wirklich sehenswert, und auch wenn das Wort „harter Tobak“ nicht ganz falsch ist, sollte man sich davon nicht abschrecken lassen, wenn man sich für das Thema interessiert. Der Film war für alle, mit denen ich mich unterhielt, sehr interessant und regte zum Nachdenken an.
Deshalb war auch die darauffolgende Diskussionsrunde sehr aufschlussreich, da man nochmals einen persönlicheren Bezug durch die Erzählungen der Gäste entwickelte. Unsere Gäste waren: Anas Albasha, ein syrischer Student, der selbst in Syrien 2011 demonstriert hat und deshalb schließlich nach Deutschland fliehen musste; Kristin Helberg, die Journalistin ist und zum Syrienkrieg publiziert hat, und Dr. Usahma F. Darrah, der im Vorstand des Verbandes deutsch-syrischer Hilfsvereine ist.
Moderiert wurde die Podiumsdiskussion von Amin Al Magrebi, der seine Aufgabe sehr kompetent durchgeführt hat und der gesamten Diskussion einen roten Faden gab.
Zurückblickend kann ich sagen, dass diese Veranstaltung sehr lehrreich war und eine intensive Auseinandersetzung mit der Thematik brachte. Und auch wenn mir die sofortige Rückkehr in den normalen Unterricht etwas schwerfiel, würde ich solch eine Veranstaltung auch für andere politische Themen gerne sehen.
Angelina F., 2. Sem.